Erfolgreich zusammen­arbeiten


Von Mark Riklin


Jeden Sommer das gleiche Spiel. Junge Menschen mit persönlichen Motiven, Wünschen und Zielen heuern an einem SBW Lernhaus an und bilden mit ihren Alters­genossen eine Art Zufalls­gemeinschaft. In den ersten Wochen werden Werte und Normen ausgehandelt, Erwartungen ausgetauscht und Rollen definiert, um möglichst schnell zusammen­zuwachsen.

Wurmsbach, Montagmittag, 21. August 2023. Zwei Drachen­boote legen an den Gestaden von Wurmsbach an, denen 22 Passagiere entsteigen und sicheren Boden betreten. Noch etwas verloren stehen sie da, allein oder in kleinen Gruppen. Zumindest eine Gemein­samkeit haben sie: Alle haben sie sich am Talent-Campus Zürichsee einge­schrieben, um innert Jahresfrist eine Anschluss­lösung zu finden oder die erste Etappe zur eidgenös­sischen Matura in Angriff zu nehmen.

Zufalls­gemeinschaft

Ausgesucht haben sie sich nicht. Und so bilden sie eine Art Zufalls­gemeinschaft, die sich noch finden muss. Umso wichtiger ist es deshalb, sich anfangs über Werte und Normen zu verständigen, als Grundstein­legung einer guten Zusam­menarbeit. Werte, Normen und Rollende­finitionen bilden das Fundament jeder Klasse, Gemeinschaft und Gesellschaft, im Kleinen und im Grossen. Im besten Fall werden sie immer wieder neu diskutiert, ausge­handelt und gemeinsam festgelegt. Auf dass sie eine Chance haben, im Alltag Beachtung zu finden.

Prosumenten-Gewand

Und so stehen an der Futura des TCZ in den ersten Wochen zwei Ziele im Vorder­grund: Erstens den Hafen ausfindig machen, den man ansteuern will. Und zweitens in die Teamfähigkeit der Crew investieren, um möglichst schnell zu einer Gemeinschaft zu werden, die zusammenhält, sich gegenseitig antreibt statt behindert. Neben dem Eigensinn soll auch der Gemeinsinn gefördert werden. Schrittweise soll die Konsumen­tenrolle abgestreift und in ein Prosumen­ten-Gewand eingetauscht, sprich Verantwortung für die Gemein­schaft übernommen werden. (Vgl. Fraktalelement «Verantwortung» [PDF])

The best class ever

«Was wäre, wenn wir Ende Jahr die beste Klasse wären, die es je gegeben hat», fragen sich die neuen Futurianer in einem Gedanken­experiment. Welche Werte zeichnen ein solches Team aus? Welche Regeln braucht es, um diese Werte im Alltag umzusetzen und zu leben? Inspiriert von bestehenden Regel­werken und eigenen Erfahrungs­werten werden Regeln formuliert, ausgehandelt und als Basis einer guten Zusam­menarbeit in einem Klassen-Codex verabschiedet: Wir wollen andere Meinungen respektieren, uns gegenseitig motivieren und ermutigen, Unstim­migkeiten sofort ansprechen und Erfolge mit einem Pizzaessen gemeinsam feiern.

Verantwortung für das grosse Ganze

Was wäre, wenn es am TCZ in naher Zukunft neue Rollen­modelle und Funktions­träger gäbe, die gute Stimmung verbreiten, den Zusam­menhalt stärken und Verantwortung für das grosse Ganze übernehmen? Mithilfe kleiner Fanta­sie-Figuren («Little People») entstehen perso­nifizierte Ideen­ansätze, die in einem zweiten Schritt an der gegen­wärtigen Realität gemessen und in einem dritten ein erstes Mal in der neuen Sonder­funktion erprobt werden. So giesst die Gärtnerin alle Pflanzen im Haus, reguliert der Reparateur die Druckluft defekter Bürostühle, nehmen sich Raumgestal­terinnen Zeit für die Aufwertung des Chill-Raums, und zwei Troubleshooter versuchen, einen verloren gegangenen Ohrring unter einem Holzrost hervorzuholen.

Freiwillige Sonder­funktionen

«Sonderfunktionen haben in den SBW-Lern­häusern eine langjährige Tradition», sagt Regula Immler, Leiterin der Future Skills [PDF] Ausbildung. «Sonder­funktionen sind keine Ämtli, sondern freiwillige Beiträge auf Basis der eigenen Leiden­schaften und Kompetenzen, die helfen, den Lernalltag durch eine zusätzliche Brille zu betrachten. Eine solche Rolle kann sich im Verlaufe der Zeit entwickeln oder auch nicht. Jeder kann, keiner muss.»

 

Fraktalelement «Verantwortung»

Selbstgesteuertes Lernen fördert die Übernahme der Verantwortung für das eigene Lernen und Handeln: die Fähigkeit, eigene Ziele zu setzen, Wege festzulegen und geeignete Mittel und Methoden zu finden, die für den eigenen Lernweg und die eigenen Möglichkeiten sinnvoll sind. Zudem soll schrittweise die Fähigkeit gefördert werden, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen und die eigenen Fähigkeiten für die Mit- und Umwelt einzusetzen.

Mehr im Booklet SBW Bildungsverständnis [PDF]


Mögliche Sonderfunktionen

Caretaker, Reparateur, Reiseleiterin, Kurier, Raumgestalterin, Podcaster, Eventmanagerin, Musikerin, Techniker, Blogger, Samariter, Klassensprecherin, Kioskbetreiberin, PC-Kavalier, Sekretär, Gärtner, Fotografin, Bibliothekarin, Trouble-Shooter.