In den ersten Wochen seit der Eröffnung des Talent-Campus Zürichsee tauchen immer wieder Klappstühle auf: mitten in der Altstadt von Rapperswil; in Wurmsbach bei einem Speakdating unter Trauerweiden; und vor ein paar Tagen beim Stadthofplatz, wo am Rande des Strassenverkehrs der Auftakt zum ersten Future Skills Projekt stattfand. Beobachtungen vor Ort.
RAPPERSWIL – Stadthofplatz, kurz vor 14 Uhr. Mit wenigen Handgriffen werden am Rande des Strassenverkehrs Klappstühle aufgestellt, ein Mini-Mic installiert und eine Wandtafel beschriftet. «Findet hier ein Konzert statt», fragt eine Passantin, die die Entstehung des Adhoc-Auditoriums aufmerksam beobachtet. «Nein, kein Konzert, sondern der Kurzauftritt eines Stadtrats, der das Geschehen an der Kreuzung live kommentiert», bekommt sie als Antwort. Wenig später sind alle Stühle im Outdoor-Schulzimmer besetzt, 14 Jugendliche haben Platz genommen. Und auch der Stadtrat ist soeben mit dem Fahrrad eingetroffen, es kann losgehen.
Kuriosum an der Strassenkreuzung
Gastreferent Luca Eberle, Stadtrat für Bildung, Familie, Gesellschaft und Alter, verweist im Gespräch mit Lernbegleiterin Regula Immler auf ein Kuriosum an der Strassenkreuzung. Wer als Fussgängerin oder Velofahrer die Obere Bahnhofstrasse überqueren will, wird mit einer verwirrenden Botschaft konfrontiert: Während die zweite Ampel hinter dem Inseli bereits grün leuchtet, steht die erste Ampel weiterhin standhaft auf Rot. Eine widersprüchliche Situation, die Verwirrung stiftet. Es sei schwierig, einzuschätzen, was nun gelte, wundert sich Testfahrer Elias. Wohl ein klares Indiz für die Bevorzugung des motorisierten Verkehrs, so die Vermutung des Stadtrats.
Situationsanalyse vor Ort
Was hier stattfindet, ist der Auftakt zum ersten Future Skills Projekt des neu eröffneten Talent-Campus Zürichsee. Im Zentrum steht mit dem Future Skill «Acting outside the Box» (Kreativität) die Fähigkeit, Denk- und Handlungsmuster zu hinterfragen und ungewöhnliche Lösungen zu (er-)finden. Als reales Beispiel dienen Probleme der Stadt Rapperswil, die im Rahmen einer Situationsanalyse identifiziert und dann bearbeitet werden. Fachlich unterstützt werden die Jugendlichen im Verlaufe des Projekts von Erfinder Stefan Heuss, der als ausserschulischer Experte mithilft, Lösungsansätze zu entwickeln, Prototypen zu bauen und diese – wenn alles gut geht – am 9. November, dem nationalen Tag der Erfinder, im Stadtzentrum live zu testen.
Littering-Problem an Wochenenden
Nach 15 Minuten wird das Outdoor-Schulzimmer zusammengeklappt, der Velohelm montiert und die zweite Situation anvisiert, der Stadtrat als Ortskundiger an der Spitze vorneweg. Auf der Liegewiese der Fachhochschule OST schildert Luca Eberle das Littering-Problem an Sommer-Wochenenden. Zum einen ist die Kapazität der neuen Unterflur-Container für den anfallenden Abfall zu gering, zum andern fehlen Möglichkeiten zur Mülltrennung, notieren Kim und Enya ihre Beobachtungen ins vorbereitete Padlet, eine digitale Pinnwand, zur Situationsanalyse.
Die verschwundene Verbotstafel
Situation 3 beim neuen Schiffssteg, wo die Oberseefähre während den Sommermonaten anlegt und Fahrgäste zwischen Rapperswil und Siebnen befördert. Mit der neuen Anlegestelle wurde beim beliebten Badeort erstmals ein Badeverbot signalisiert: Im Umkreis von 100 Metern ist Schwimmen auch wegen der nahen Einfahrt zum Hafen Garnhänke verboten. Die Badeverbotstafel sei bereits mehrmals verschwunden, das Baden bleibe aber auch ohne Tafel von Gesetzes wegen verboten, sagt Stadtrat Luca Eberle, der rechtzeitig ins Büro entlassen wird, bevor Testschwimmer Matteo den Schiffssteg als Sprungbrett benutzt. Eine ungelöste Situation, die nach kreativen Ansätzen ruft. Nach einer Stunde sind Beobachtungen und Erkenntnisse im Padlet gesichert. Als Grundlage für den ersten Besuch von Stefan Heuss in einer Woche.