Verwirrung vor der roten Ampel


Von Mark Riklin


In den ersten Wochen seit der Eröffnung des Talent-Campus Zürichsee tauchen immer wieder Klapp­stühle auf: mitten in der Altstadt von Rapperswil; in Wurmsbach bei einem Speakdating unter Trauer­weiden; und vor ein paar Tagen beim Stadt­hofplatz, wo am Rande des Strassen­verkehrs der Auftakt zum ersten Future Skills Projekt stattfand. Beobachtungen vor Ort.

RAPPERSWIL – Stadt­hofplatz, kurz vor 14 Uhr. Mit wenigen Handgriffen werden am Rande des Strassen­verkehrs Klappstühle aufgestellt, ein Mini-Mic installiert und eine Wand­tafel beschriftet. «Findet hier ein Konzert statt», fragt eine Passantin, die die Entstehung des Adhoc-Auditoriums aufmerksam beobachtet. «Nein, kein Konzert, sondern der Kurz­auftritt eines Stadtrats, der das Geschehen an der Kreuzung live kommentiert», bekommt sie als Antwort. Wenig später sind alle Stühle im Outdoor-Schulzimmer besetzt, 14 Jugendliche haben Platz genommen. Und auch der Stadtrat ist soeben mit dem Fahrrad eingetroffen, es kann losgehen.

Kuriosum an der Strassen­kreuzung

Gastreferent Luca Eberle, Stadtrat für Bildung, Familie, Gesellschaft und Alter, verweist im Gespräch mit Lernbe­gleiterin Regula Immler auf ein Kuriosum an der Strassen­kreuzung. Wer als Fuss­gängerin oder Velofahrer die Obere Bahnhof­strasse überqueren will, wird mit einer verwirrenden Botschaft konfrontiert: Während die zweite Ampel hinter dem Inseli bereits grün leuchtet, steht die erste Ampel weiterhin standhaft auf Rot. Eine wider­sprüchliche Situation, die Verwirrung stiftet. Es sei schwierig, einzuschätzen, was nun gelte, wundert sich Testfahrer Elias. Wohl ein klares Indiz für die Bevor­zugung des motorisierten Verkehrs, so die Vermutung des Stadtrats.

Situationsanalyse vor Ort

Was hier stattfindet, ist der Auftakt zum ersten Future Skills Projekt des neu eröffneten Talent-Campus Zürichsee. Im Zentrum steht mit dem Future Skill «Acting outside the Box» (Kreativität) die Fähigkeit, Denk- und Handlungs­muster zu hinterfragen und ungewöhnliche Lösungen zu (er-)finden. Als reales Beispiel dienen Probleme der Stadt Rapperswil, die im Rahmen einer Situations­analyse identifiziert und dann bearbeitet werden. Fachlich unterstützt werden die Jugend­lichen im Verlaufe des Projekts von Erfinder Stefan Heuss, der als ausser­schulischer Experte mithilft, Lösungs­ansätze zu entwickeln, Prototypen zu bauen und diese – wenn alles gut geht – am 9. November, dem nationalen Tag der Erfinder, im Stadt­zentrum live zu testen.

Littering-Problem an Wochen­enden

Nach 15 Minuten wird das Outdoor-Schul­zimmer zusammen­geklappt, der Velohelm montiert und die zweite Situation anvisiert, der Stadtrat als Ortskundiger an der Spitze vorneweg. Auf der Liegewiese der Fachhoch­schule OST schildert Luca Eberle das Littering-Problem an Sommer-Wochen­enden. Zum einen ist die Kapazität der neuen Unterflur-Container für den anfallenden Abfall zu gering, zum andern fehlen Möglich­keiten zur Müll­trennung, notieren Kim und Enya ihre Beobach­tungen ins vorbereitete Padlet, eine digitale Pinnwand, zur Situations­analyse.

Die verschwundene Verbotstafel

Situation 3 beim neuen Schiffssteg, wo die Obersee­fähre während den Sommer­monaten anlegt und Fahrgäste zwischen Rapperswil und Siebnen befördert. Mit der neuen Anlegestelle wurde beim beliebten Badeort erstmals ein Badeverbot signalisiert: Im Umkreis von 100 Metern ist Schwimmen auch wegen der nahen Einfahrt zum Hafen Garnhänke verboten. Die Badeverbots­tafel sei bereits mehrmals verschwunden, das Baden bleibe aber auch ohne Tafel von Gesetzes wegen verboten, sagt Stadtrat Luca Eberle, der rechtzeitig ins Büro entlassen wird, bevor Test­schwimmer Matteo den Schiffssteg als Sprungbrett benutzt. Eine ungelöste Situation, die nach kreativen Ansätzen ruft. Nach einer Stunde sind Beobach­tungen und Erkenntnisse im Padlet gesichert. Als Grundlage für den ersten Besuch von Stefan Heuss in einer Woche.