Wenn der Spass zu weit geht


Von Mark Riklin


WURMSBACH/PFÄFFIKON SZ – Vor einem Jahr hatte das Vögele Kultur Zentrum seine Wunsch­maschine dem Talent-Campus Zürichsee (TCZ) vermacht. Bei der aktuellen Ausstellung zum Thema «Humor» kann sich der TCZ nun für das grosszügige Geschenk revanchieren: Jugendliche der Futura leisten mit Audio-State­ments einen Beitrag zum Thema «Grenzen des Humors».

Vögele Kultur Zentrum, ein Tisch mitten in der neuen Ausstellung «Humor – geliebt, verpönt, gefürchtet». Drei Szenen aus dem Film «Fack ju Göhte 3» (2017) fordern Besucherinnen und Besucher dazu auf, über Grenzen des Humors nachzudenken. Darf man lachen, wenn ein etwas gar naiver Junge (Justin) vom Dach springt, um seine vermeintlichen Superkräfte unter Beweis zu stellen, und sich dabei verletzt, als er auf dem harten Boden der Realität landet? Darf man einen Jugendlichen (Danger) auslachen, wenn er von der Billett­kontrolle übersprungen wird, weil er dermassen stinkt?

Politisch inkorrekte Szenen

Für solche Fragen und Diskussionen bietet der letzte Teil der Fack-ju-Göthe-Reihe reichlich Gesprächsstoff. Was für die ZEIT ein filmisches Meisterwerk und ein wertvoller Beitrag für die Bildungs­debatte ist, ist für andere Kritiker der schlechteste Film aller Zeiten, enthalte der Film doch viel zu viele Szenen, in denen sich der Zuschauer vor Peinlichkeit im Kinosessel winde, sein Humor liege irgendwo zwischen Herrenwitz und kindlicher Begeisterung für Körper­funktionen, heisst es in der Frankfurter Allgemeinen Woche.

Grenzen des Humors

Was Filmkritiker auf die Goldwaage legen, sehen Jugendliche entspannter. Lernende des Talent-Campus Zürichsee diente die Filmkomödie im Rahmen ihrer Future-Skills-Ausbildung als Ausgangs­punkt, sich mit dem Potential und vor allem auch den Grenzen des Humors auseinan­derzusetzen. Wann gehen Witze und Sprüche auf Kosten anderer? Wann werden Grenzen überschritten und vermeintlich harmlose Spässe zu Mobbing? Und wann geht der Spass ganz einfach zu weit?

Audio-Statements

Die Jugendlichen haben einzelne Szenen aus «Fack ju Göthe 3» unter die Lupe genommen und ihre subjektiven Einschät­zungen als Audio-Statements auf dem Smartphone aufgezeichnet, die nun Teil der Ausstellung sind. Einiges, was im Film überzeichnet dargestellt ist und deshalb lustig wirkt, wäre im echten Leben nicht in Ordnung, sind sich die Jugendlichen einig: «In echt würde ich sofort helfen, wenn sich jemand verletzt, statt nur zu lachen, zu filmen oder Fotos machen», sagt Kim Portmann (16) in ihrem Audio-State­ment.

Jugendgerechte Sensibilisierung

«Fack ju Göthe 3» biete eine jugend­gerechte Form der Sensibilisierung, sagt Regula Immler, Leiterin Future Skills Ausbildung. Ausgewählte Antworten der Jugendlichen zur Frage, wo Humor aufhöre und Mobbing beginne: «Wenn man gemeinsam über andere lacht, die nicht mitlachen können. Wenn man sich konstant über eine Person lustig macht. Wenn eine Person über längere Zeit ausgeschlossen und schlecht behandelt wird.» Die Szenen aus dem Film lassen sich bestens mit eigenen Erfahrungen verbinden und Erkenntnisse für den eigenen Alltag gewinnen.

Interaktive Ausstellung

Die Ausstellung im Vögele Kultur Zentrum sei für Jugendliche ab der Ober­stufe sehr zu empfehlen, sagt Regula Immler. Interaktive Stationen laden dazu ein, sich spielerisch mit dem Thema auseinan­derzusetzen. Beim Lach-Automaten können verschiedene Lacharten ausgewählt, imitiert und an die kollektive Lachwand gehängt werden. An einem Touchscreen kann man sich dem Humor-Check unterziehen, indem man Witze auf einer Humor­skala bewertet. Im Kultur­atelier kann eine Meme­vorlage ausgewählt und mit einem eigenen Wortspiel ergänzt werden. Ein attraktiver Zugang zu verschie­denen Aspekten des Humors.

Humor als Resilienzfaktor

Die aktuelle Ausstellung im Vögele Kultur Zentrum orientiert sich an psycho­logischen und sozialen Funktionen des Humors: Humor als Waffe, als Ventil und als sozialer Kitt. Humor ist eine unterschätzte Ressource. Aus Future-Skills-Per­spektive lässt sich eine zusätzliche Funktion des Humors ergänzen: der Humor als Resilienz­faktor.

Humor als Waffe «Lächeln ist die eleganteste Art, seinem Gegner die Zähne zu zeigen.» (Werner Finck) Humor kann als Waffe eingesetzt werden, um sich zu verteidigen, anzugreifen oder gegen bestehende Macht­strukturen zu wehren.

Humor als sozialer Kitt «Lachen ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen.» (Victor Borge) Humor erleichtert es uns als soziales Schmier­mittel, auf andere Menschen zuzugehen, neue Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.

Humor als Ventil «Lachen ist die beste Medizin.» Lachen hilft, Spannungen abzubauen, den Stress­pegel zu senken und das Immun­system zu stärken.

Humor als Resilienz­faktor Der Humor ist eine Allzweck­waffe gegen die Widrig­keiten des Lebens: Humor hilft Perspektiven zu wechseln, schafft Distanz zu sich und zur Welt, setzt Glücks­hormone frei, fördert die Akzeptanz für das, was ist.

Wieso lachen wir? Philosophie des Humors | Philosophie | Bleisch & Bossart | SRF Kultur - YouTube (5’)
HUMOR – geliebt, verpönt, gefürchtet – voegelekultur.ch