Zweifeln als Teil des Prozesses


WURMSBACH – Am Dienstag­morgen ist das erste Future-Skills-Projekt in der Geschichte des Talent-Campus Zürichsee abgeschlossen worden. Vor dem Rapperswiler Stadtrat Luca Eberle und weiteren Gästen präsentierten die Jugendlichen Lösungs­ansätze aus ihrer Perspektive, Erfinder Stefan Heuss meldete sich mittels Gruss­botschaft zu Wort.

Auf der Zielgeraden. Ein langer Entwicklungs­prozess neigt sich dem Ende entgegen. Als Vorbereitung auf die Präsentationen vor dem Stadtrat Luca Eberle üben sich die Jugendlichen im Elevator-Pitch-Format: In maximal 60 Sekunden soll der eigene Lösungs­ansatz kurz und bündig auf den Punkt gebracht werden. Paula Heiniger (15) aus Winterthur beispielsweise läuft rückwärts dem Seeufer entlang Richtung Schiffssteg, beschreibt bei windigen Verhältnissen auf charmante Art und Weise die Ausgangslage und den Lösungsansatz, einen 150 Meter langen Steg zu bauen, der zwischen den Bedürfnissen der Badegäste und des Fährbetriebs vermitteln soll. Nach 6 Sätzen und 51 Sekunden ist sie am Ende des Stegs angelangt: Challenge mit Bravour gemeistert!

Iterativer Prozess

«Wäre mein Text noch etwas länger geraten, wäre ich wohl ins Wasser gefallen», sagt Paula Heiniger, angehende Fachfrau Gesundheit, mit einem Schmunzeln. Und gesteht, dass es – wie üblich beim Filmen – fünf Anläufe gebraucht habe, bis Textfluss, Laufweg und Timing gepasst haben. Symbolisch für einen Entwicklungs-Prozess, der Zeit, Geduld, Ausdauer und die Bereitschaft erfordert, sich nicht mit der erstbesten Version zufrieden zu geben. Diese Erfahrung hat auch die Gruppe von Paula Heiniger gemacht, deren erste Lösungs­variante das Badeverbot im Umkreis von 100 Metern noch zu wenig beachtete und deshalb einen zweiten Anlauf erforderte. Ganz im Sinne von Samuel Beckett: versuchen, scheitern, wieder versuchen, bis es irgendwann gelingt.

Stadtrat-Visite

Dienstag­morgen, kurz vor 09 Uhr 45. Soeben ist Luca Eberle, Rapperswiler Stadtrat für Bildung, Familie, Gesellschaft und Alter, im Lernhaus eingetroffen. 60 Minuten Zeit hat er sich in seinem dichten Fahrplan reserviert, um sich den Stand der Entwicklungen anzuhören. Nach einem kurzen Briefing wird Eberle zu den einzelnen Stationen geführt, die im ganzen Lernhaus verteilt sind: im Foyer zur Garbage-Basketball-Anlage, im Chamber of Creation zum Steg mit geschütztem Badebereich, im Maker Space zum Modell für eine neue Verkehrsführung, im Lernatelier zum 150 Meter langen Schiffssteg und zum LED-Fussgänger­streifen.

Realitäts-Check

In versammelter Runde versucht Luca Eberle, die Ideen aus der Perspektive eines Stadtrats einem Realitäts-Check zu unterziehen. Besonders angetan ist er von der Idee eines LED-Fussgänger­streifens, die ihm «relativ einfach umsetzbar» scheint und «sich vielleicht sogar durchsetzen könnte», unter der Voraussetzung, dass dieser Prototyp nicht nur an einer Strassen­kreuzung, sondern in der ganzen Stadt umgesetzt würde. «Wer weiss, vielleicht ist es in 10 Jahren State of the Art, dass die Lampen nicht mehr oben sind, sondern unten, und der Ursprung der Idee aus Wurmsbach kam», sagt Eberle mit einem Schmunzeln. Auch wenn nicht alle Projekte umgesetzt werden können, können sie eine Inspirations­quelle sein, um in neue Richtungen zu denken.

Der Zweifel als ständiger Begleiter

Nicht vor Ort dabei sein konnte bei den Präsentationen Stefan Heuss, der mitten in den Vorbereitungen auf seinen nächsten Auftritt im Casinotheater Winterthur steckt. In einer Grussbot­schaft meldet er sich trotzdem zu Wort, blickt auf die Zusam­menarbeit zurück und ermutigt die Jugendlichen, auch unangenehme Phasen des Zweifelns auszuhalten: «Zweifel und Unsicherheiten sind ganz normal, sie gehören zu einem kreativen Prozess dazu», sagt Stefan Heuss, der sich heute noch überlisten muss, um den Mut aufzubringen, eine neue Errungenschaft vor Publikum zu zeigen.


Elevator Pitch im Prime Tower (2015)

ZÜRICH – Ein Unternehmer mit einer Idee, ein Investor mit Finanzkraft, ein Lift – und nur eine Fahrt lang hat der Unternehmer Zeit, den Investor von seinem Geschäft zu überzeugen. Diese Versuchs­anlage, genannt Elevator Pitch, hat die Schweiz erreicht. «ECO» war im Jahr 2015 bei der ersten Austragung im Zürcher Prime Tower dabei und fragt, wie sich Geldgeber in nur 60 Sekunden ein Bild über eine Geschäftsidee machen können.