Marcel
Hug

Paralympischer Athlet

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Unser «Swiss Silver Bullet»

Der Thurgauer Marcel Hug gehört zu den herausragenden Gesichtern des paralympischen Sports. Der «Swiss Silver Bullet» ist mehrfacher Paralympics Goldmedaillen-Gewinner, Weltrekordhalter und Träger des renommierten Laureus Sports Awards, des «Oscars der Sportwelt». In seiner Bilderbuch-Karriere hat der ehemalige SBWler (NET/WBJ, 2001-2004) alles erreicht, was man erreichen kann. 20 Jahre nach seiner ersten Teilnahme an den Paralympics in Athen folgt diesen Sommer in Paris bereits die sechste Teilnahme.

Von Mark Riklin

«Erster, Erster und nochmals Erster», bringt die SRF-Redaktion ein weiteres Erfolgsjahr einer Ausnahmeerscheinung auf den Punkt. Wann immer Marcel Hug im Jahr 2023 am Start steht, resultiert stets ein Sieg. Seit über einem Jahr ist der Rollstuhl-Leichtathlet ungeschlagen, was ihm an den Sport Awards zum neunten Mal den Award für den besten Paralympischen Sportler des Jahres einträgt.

Bescheidenheit

Die Dankesrede nutzt Marcel Hug, um die Aufmerksamkeit auf Menschen ausserhalb des Sports zu lenken, die «eine wichtige Arbeit machen, unglaublich viel leisten und deshalb ebenfalls einen Award verdient hätten». Und ruft das Publikum dazu auf, Menschen im eigenen Umfeld zu würdigen, die nicht das Privileg der Sportler hätten, solche Ehrungen entgegenzunehmen. Typisch Marcel Hug. Selbst in den Stunden der grössten Erfolge bleibt er bescheiden und denkt über sich und seine Erfolge hinaus.

Keine Sonderstellung

Ein Blick zurück in seine Kindheit. Im Januar 1986 kommt Marcel Hug im thurgauischen Pfyn mit einem offenen Rücken (Spina Bifida) zur Welt und ist deshalb von Kind an auf einen Rollstuhl angewiesen. Gemeinsam mit seinen drei älteren Brüdern wächst er auf dem Bauernhof seiner Eltern auf. «Ich war nie der arme Behinderte, sondern wie die anderen», erinnert sich Marcel Hug in einem Interview. Nie habe er eine Sonderstellung gehabt, auch er habe anpacken, bei der Apfel- und Kartoffelernte tatkräftig mithelfen müssen.

Schlüsselerlebnis

Früh entdeckt Marcel Hug seine Leidenschaft für den Sport. Von klein auf aktiv besucht er eine polysportive Rollstuhlgruppe. Als die Leiterin einen älteren Rennrollstuhl ins Training mitbringt, lässt sich Marcel nicht zweimal bitten und probiert das neue Sportgerät aus. Ein Schlüsselerlebnis. Sofort findet er Freude an der Leichtathletik und nimmt noch im selben Jahr, im Alter von zehn Jahren, an seinem ersten Schüler-Rennen teil. Dort trifft er auch Paul Odermatt, einen Trainer aus der Region Nottwil, der bis heute sein Trainer und Förderer ist.

Der erste NET-Sportler

Von 2001 bis 2003 besucht Marcel Hug in Kreuzlingen die neu eröffnete Sportschule Thurgau, die heute als Nationale Elitesportschule Thurgau (NET) Teil des Talent-Campus Bodensee ist. «Marcel war der erste NET-Sportler, mit dem wir einen Vertrag abschlossen», erinnert sich der damalige NET-Leiter Mirko Spada. «Marcel war schon damals einzigartig, Fokus, Kraft und Leidenschaft waren seine Stärken. In unserem Haus gab es keinen Lift, weshalb er sich über mehrere Stockwerke bewegen musste und trotzdem immer pünktlich und organisiert in den Unterricht kam. Er hat alle Hürden souverän gemeistert. Für mich ist er in seiner Sportart auf der gleichen Stufe wie Federer!»

Internationaler Durchbruch

Im Sommer 2003 wechselt Marcel Hug nach Romanshorn ans damalige Weiterbildungsjahr (WBJ). Christoph Bornhauser, einem seiner Lernbegleiter, fällt sofort auf, wie gut er seine Stärken und Schwächen analysieren und daraus Massnahmen ableiten kann. In einer Projektarbeit bereitet er sich akribisch auf sein grosses Ziel vor: die erstmalige Teilnahme an den Paralympics 2004 in Athen. Und tatsächlich: Marcel Hug schafft nicht nur die Qualifikation, sondern gewinnt als erst 18-Jähriger zur eigenen Überraschung über 800m und 1500m zwei Mal Bronze, der internationale Durchbruch. An den Credit Suisse Sport Awards desselben Jahres wird er zum Newcomer des Jahres gekürt, noch vor Fussballer Johan Vonlanthen und Radrennfahrer Fabian Cancellara.

Profisportler

Nach Abschluss des WBJ zieht Marcel Hug nach Nottwil, absolviert in Luzern das Sportler KV und arbeitet nach dem Abschluss noch ein Jahr bei einem Sponsor als Kaufmann, bevor er seinen Traum verwirklicht, seine grosse Passion zum Beruf zu machen und Profisportler zu werden. Nichts überlässt er dem Zufall. 2016 reist Hug bereits im Vorfeld nach Rio, um einen ersten Eindruck von der Stadt und den Wettkampfstätten zu erhalten. Seine akribischen Vorbereitungen werden mit dem erstmaligen Gewinn der Goldmedaille über 800m belohnt, zum Abschluss folgt mit dem Paralympics-Titel über die Marathondistanz die Krönung.

Vier Goldmedaillen aus Tokio

An den Paralympics 2020 in Tokio, die um ein Jahr verschoben werden, setzt er noch einen drauf: Marcel Hug gewinnt in allen Disziplinen, bei denen er an den Start geht (800 m, 1500 m, 5000 m, Marathon), und kehrt mit vier Goldmedaillen nach Hause zurück. Damit ist 2021 aber noch nicht Schluss. Marcel Hug kann den Schwung aus Tokio nutzen, um sich bei weiteren Städtemarathons an die Spitze zu setzen. Er gewinnt den Marathon von Berlin, London, Boston und New York und holt in Chicago Silber. Am Oita-Marathon in Japan stellt er einen neuen Weltrekord auf und unterbietet damit die bisherige Bestmarke, die Heinz Frei 1999 aufstellte.

Technik, Taktik und Organisation

Januar 2024. Marcel Hug ist inzwischen 38 Jahre alt und noch immer voller Tatendrang. Im Sommer 2024 findet in Paris die nächste Austragung der Paralympics statt, 20 Jahre nach seiner ersten Teilnahme. Noch immer fasziniert ihn das Zusammenspiel zwischen Körper, Geist und Seele, Technik, Taktik und Organisation: wie er seine Kraft auf die Räder bringen und in Vortrieb verwandeln; wie er sich im Feld positionieren, im Windschatten fahren und im richtigen Moment angreifen; und wie er seine Reisen in andere Zeitzonen möglichst ressourcenschonend organisieren kann.

Botschafter

«Sehen Sie sich als Botschafter für Menschen mit Behinderung?», wird Marcel Hug in einem Tagblatt-Interview gefragt. «Nein, das sehe ich mich nicht, weil ich vor allem als Sportler und nicht als Behinderter wahrgenommen werden möchte.» Für viele Menschen mit und ohne Behinderung ist Marcel Hug aber zu einem grossen Vorbild geworden. Einer, der nie aufgibt. Einer, der an seine Grenzen geht, aber nicht darüber hinaus. Einer, der sich für andere Menschen einsetzt, sei dies als Nachwuchsförderer oder als Botschafter des Projekts «Coubertin meets Dunant».

Game Changer

Marcel Hug hat sich schrittweise zu einem weltbekannten Spitzensportler entwickelt, der in seinem Sport als Game Changer betrachtet werden kann. Durch seine herausragenden sportlichen Leistungen, den Einsatz innovativer Technologien und seine Vorbildfunktion als Förderer von Inklusion und Integration hat er den Rollstuhlrennsport in ganz neue Sphären geführt. Eine grossartige Leistung!

 

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