Den Stadtraum zurückerobern


Von Mark Riklin


RAPPERSWIL-JONA – Die Pop-up-Aktion am ersten Hitzetag des Jahres (18. Juni 2024) sollte keine Eintagsfliege bleiben, sagten sich die Siesta-Lounge-Betreiber:innen des Talent-Campus Zürichsee. Und so nutzten sie am anderen Ende des Sommers das einzige Sonnenfenster der Woche (10. September 2024), um die brachliegende Bühne vor dem Kreuz in Jona mit Liegestühlen und einem charmanten Bistro zu bespielen.

Von Mark Riklin

Dienstagmittag kurz nach 11 Uhr. Der St. Gallerstrasse entlang ist eine ungewöhnliche Szenerie im Gang: Jugendliche tragen und schieben Pflanzen und Bäume vor sich her, die sie vor wenigen Minuten im Blumengeschäft «Schnittstell» für drei Stunden gratis und franko ausleihen konnten. Ihr Ziel: das asphaltierte Dreieck zwischen Kreuz, Strasse und der Jona, wo während der Mittagszeit eine temporäre Begrünung und Belebung des Platzes simuliert werden soll.

Italienische Piazza

Eine knappe Stunde später steht alles bereit: eine kleine Siesta Lounge mit 10 Liegestühlen, ein Bistro mit 20 Sitzplätzen, durch Buffet und Fahrradweg voneinander getrennt. Jugendliche Gastgeber:innen warten auf potentielle Gäste, denen die Überraschung ins Gesicht geschrieben scheint. Seit 40 Jahren wohne er in Jona, so etwas habe er noch nie erlebt, sagt ein älterer Mann, nimmt Platz und lässt sich einen Kaffee servieren. Ein bisschen wie auf einer «italienischen Piazza» sehe es hier aus, «die Menschen reden ja kaum mehr miteinander, hier kann man noch miteinander ins Gespräch kommen», freut er sich.

Green City

Im ersten Moment habe er gedacht, das Restaurant LO! habe seine Terrasse erweitert, so professionell und einladend sehe das weiss gedeckte Bistro aus, sagt ein Gast. Lionel (15) und Lelia (16) vom Info-Team gehen proaktiv auf Passanten zu, erklären Sinn und Zweck der Aktion und laden ein, Platz zu nehmen. Bereits nach einer halben Stunde sind die meisten Plätze besetzt: ein Velofahrer, eine ältere Frau am Rollator, zwei Ordensschwestern aus dem Kloster Wurmsbach, vier Männer aus dem Stadthaus, interessierte Eltern oder eine grössere Frauengruppe, die in der Siesta Lounge ganz angeregt Ideen diskutiert, wie die Stadt grüner gestaltet werden könnte.

Fachgespräche

Auch Fachpersonen machen sich ein Bild vor Ort. Bei Kaffee und Kuchen diskutieren Architekt Michael Rüegg, Landschaftsarchitekt Michael Engler, Tourismus-Stratege Simon Elsener, Stadtbaumeister Marcel Gämperli, Stadträtin Tanja Zschokke und Stadtrat Christian Leutenegger die Wirkung solcher Ansätze. «Die heutige Aktion zeigt eindrücklich, wie der öffentliche Raum mit einfachsten Mitteln als Aufenthalts- und Begegnungsort zurückerobert werden kann», sagt Stadträtin Tanja Zschokke, wie die Jugendlichen den Platz eingenommen und kurzfristig besetzt hätten, habe sie sehr beeindruckt.

Pop-up-Team

Stadtrat Christian Leutenegger, der von seinem Bürotisch im Stadthaus direkten Blick auf den Platz hat, wundert sich, wieso nicht schon früher jemand auf diese Idee gekommen sei. So naheliegend die Idee scheint, es braucht Leute, die sie in die Tat umsetzen. Das Pop-up-Team des Talent-Campus Zürichsee unter der Leitung von Regula Immler steht bereit, nächste Plätze zu bespielen, um einer grünen Stadtentwicklung ein Gesicht zu geben und Ideen vorstellbar zu machen. Und gleichzeitig die Jugendlichen zu ermutigen, sich in die Zukunftsgestaltung der Stadt einmischen. Eine Win-Win-Situation.