Seit zwei Jahren hat die SBW Haus des Lernens AG einen weiteren Standort. Auf dem Terrain des idyllisch gelegenen Kloster Wurmsbach in Rapperswil-Jona bereiten sich Jugendliche auf die eidgenössische Matura vor. Dabei setzt die Schule auf neue pädagogische Konzepte. Ein Augenschein vor Ort.
Von Daniela Huwyler
Draussen bimmeln die Glocken der Kühe, vor dem Eingang empfängt Katarina Gromova, Leiterin vom Talent-Campus Zürichsee, den Gast und zeigt sogleich ein grosses Bild im Eingangsbereich, das mit zahlreichen Fäden geknüpft und verbunden ist: «Mir gefällt das Bild sehr, es zeigt, aus wie vielen unterschiedlichen Orten wir alle kommen und wie wir auf vielfältige Art miteinander verbunden sind.» Auch sie hat weit verzweigte Wurzeln, als Kind zog sie mit ihrer Familie von Russland in die Schweiz. Neugierde statt Vorurteile, Wertschätzung statt Notendruck, der Talent-Campus Zürichsee hebt sich bewusst von den öffentlichen Schulen ab. Dazu Katarina Gromova: «Wage, wovon du träumst. Dieser Leitsatz begleitet uns täglich und spornt uns an.»
Lernen auf Augenhöhe
Knapp 40 Schülerinnen und Schüler lernen an der Privatschule am See, es unterrichten rund 10 Lehrpersonen und die Klassengrösse bewegt sich durchschnittlich zwischen 8 bis 12 Schülerinnen und Schülern. Wobei, die Begriffe unterscheiden sich: Schüler sind Lernpartner, Lehrerinnen Lernbegleiterinnen. Und das Haus des Lernens ist für alle offen, so treffen sich beispielsweise im Pausenraum mit Kaffeemaschine gleichermassen Lernbegleiter:innen und Lernpartner:innen.
Auch die langjährige Lehrerin Regula Immler empfängt dort soeben zwei ehemalige Schülerinnen zu einem Besuch. Als ausgebildete Sekundarlehrerin habe sie relativ früh gespürt, dass sie einen anderen pädagogischen Weg gehen möchte: «Mich reizte es, in einen selbstgesteuerten Lernprozess einzutauchen, ich glaube an die Verantwortung der Jugendlichen.» Deshalb habe man auch damals, vor zwei Jahren, die Schule beim Kloster Wurmsbach, das früher als Mädcheninternat genutzt wurde, mit den Jugendlichen besichtigt und in einem gemeinsamen Prozess die Renovation eingeleitet. Die Räume tragen die Handschrift der Jugendlichen: Ein Aufenthaltsraum wurde ganz umgebaut und mit Nischen zum Verweilen eingerichtet, der Pausengong ist von den Jugendlichen selber erstellt, moderne Musikclips unterteilen die Zeit. «Natürlich werden die Jugendlichen zu diesem selbstständigen Lernen hingeführt. Zuerst enger begleitet, dann - mit zunehmender Erfahrung - werden den Schülerinnen mehr Freiheiten und Verantwortung übertragen.»
Flexibilität und Eigenverantwortung
Seit der ersten Stunde ist die Schülerin Darina König (17) am Campus und möchte später Psychologie studieren. Aus Deutschland hergezogen wollte sie ans Gymnasium und fand im Talent-Campus genau den Ort, den sie suchte. «Oft treffen wir uns auch am Wochenende in der Schule. Ich mag die persönliche Note hier und fühle mich wie in einer kleinen Familie.» Sie trägt Hausschuhe mit weissen Fellpompoms und mag es, dass es keine Bewertungen gibt, sondern Tipps und Feedbacks: «Ich lerne gerne und fühle mich hier wohl.» Mehr Flexibilität und Eigenverantwortung kommt vielen Schülerinnen und Schülern mit besonderen Talenten wie Sport, Musik oder anderen zeitintensiven Hobbys zugute. Wie zum Beispiel auch einer Schülerin, die eine angehende Pianistin ist und im kleinen Konzertsaal nebenan immer wieder Freiraum zum Üben hat.
Future Skills
Dazu die Leiterin Katarina Gromova: «Wir passen die Schule dem Menschen an und stellen die Lerninhalte für die Bedürfnisse des Lernenden zusammen. Im Fach «Future Skills» gehen wir sogar noch einen Schritt weiter und beschäftigen uns mit Fragen rund um die Persönlichkeit.» In Projekten suchen die Jugendlichen Antworten auf die Fragen: Was sind meine Stärken, wie entwickle ich sie und welche Kompetenzen brauche ich, um meine Zukunft aktiv mitzugestalten? Dies sei ein intensiver Weg, bei dem die Jugendlichen eng von einem Coach begleitet werden. Mit erstem Erfolg: Im Januar absolvierte der erste Schüler erfolgreich die eidgenössische Matura. Dazu Gromova: «Wir sind auf gutem Kurs. Und hoffen, dass wir in der Region noch stärker wahrgenommen werden. Denn manchmal verlangt es einen persönlichen Weg zum Erfolg.» Die Bedingungen dazu sind an diesem ruhigen und idyllischen Ort wahrlich einzigartig.
Transparentshinweis: Daniela Huwyler ist freie Journalistin und Oberstufenlehrperson. Sie vertritt eine Lehrperson für das kommende Semester.